Oberinspektor Michael Fichtl ist ein in Wien verwurzelter, erfahrener Ermittler der alten Schule, der seine Fälle mit Beharrlichkeit und einem tiefen Gespür für die Abgründe der menschlichen Natur löst.
Das Profil: Der beharrliche Einzelgänger mit Wiener Schmäh
Michael Fichtl
Oberinspektor Michael Fichtl ist ein Pragmatiker, der nach langen Dienstjahren die Schattenseiten seiner Heimatstadt kennt wie seine Westentasche. Geprägt von den Widrigkeiten des Polizeialltags, bewegt er sich mit einer Mischung aus resignierter Gelassenheit und unbeirrbarer Pflichtauffassung durch die Wiener Unterwelt. Seine Ermittlungen werden immer wieder von persönlichen Konfrontationen überschattet, die ihn an seinen Grundsätzen zweifeln lassen. In Stahlwalzer wird er von einem ehemaligen Verbrecher heimgesucht und einer Scheinhinrichtung ausgesetzt – ein traumatisches Erlebnis, das ihn zutiefst verunsichert und seine Berufung infrage stellt. Dennoch gibt Fichtl nie auf. Sein Ansatz ist weniger analytisch als vielmehr von einer intuitiven Menschenkenntnis getrieben, die es ihm erlaubt, hinter die Fassaden von Verdächtigen und Zeugen zu blicken. Getrieben von einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, lässt er sich auch von Drohungen aus höchsten Regierungskreisen nicht beirren, wie sein Kampf gegen Vertuschungsversuche in Stahlwalzer beweist.
Das Team
Fichtls Ermittleralltag ist von wechselnden Teamkonstellationen geprägt. Er arbeitete nacheinander mit den Inspektoren Winter, Hollocher und Kern zusammen. Inspektor Hollocher (Michael Bukowsky) verkörpert oft den impulsiveren, auf schnelle Ergebnisse drängenden Gegenpart zu Fichtls bedächtigerer Art, wie in Ostwärts deutlich wird. Inspektorin Susanne „Susi“ Kern (Sylvia Haider) hingegen entwickelt sich zu einer vertrauensvollen Partnerin, die seine methodische Arbeitsweise teilt. Die Dynamik zwischen Fichtl und Kern zeichnet sich durch professionellen Respekt und eine stille Loyalität aus, die besonders in brenzligen Situationen trägt. In Kinderspiel wird ihre Zusammenarbeit auf eine harte Probe gestellt, als Kern von einem Kind mit einer Spritze attackiert wird und wochenlang in der Ungewissheit über eine mögliche HIV-Infektion leben muss – ein Schicksalsschlag, der auch Fichtl persönlich trifft.
Die Dynamik: Wiener Melange aus Pflichtbewusstsein und Zweifel
Fichtls Ermittlungsstil ist die eines Einzelgängers im Team. Er verlässt sich auf seine Erfahrung und ein untrügliches Gespür für Unstimmigkeiten, selbst wenn alle Beweise auf das Gegenteil hindeuten, wie beim angeblichen Selbstmord in Stahlwalzer. Seine Arbeitsweise ist weniger spektakulär als vielmehr beharrlich; er bohrt nach, hinterfragt Autoritäten und lässt nicht locker, bis er die Wahrheit gefunden hat. Dies bringt ihn häufig in Konflikt mit seinem Vorgesetzten, Hofrat Dr. Putner (Gerhard Dorfer), der oft politische Rücksichtnahme über akribische Wahrheitsfindung stellt. Fichtls große Stärke ist seine Fähigkeit, die menschlichen Motive hinter den Verbrechen zu verstehen, ob es nun um korrumpierende Gier in Telefongeld oder um die systematische Ausbeutung Schutzsuchender in Kolportage geht. Sein markantester Zug ist seine tiefe Verbundenheit mit Wien, die ihn zum Chronisten seiner dunklen Seiten macht.
Wien als Schauplatz
Wien ist in Fichtls Fällen weit mehr als nur eine Kulisse; sie ist ein eigenwilliger, oft düsterer Mitspieler. Die Serie zeigt nicht das postkartenhafte Wien, sondern die Stadt der schummrigen Hinterzimmer, verwinkelten Gassen und träge dahinfließenden Donau. Der Ermittlungsort prägt die Fälle entscheidend: Die Nähe zum ehemaligen Eisernen Vorhang macht Wien in Folgen wie Ostwärts zum Drehkreuz für Ost-West-Kriminalität wie Autoschiebereien. Die Bürokratie und die politischen Verstrickungen der österreichischen Hauptstadt werden in Stahlwalzer zur zentralen Hürde für die Ermittlungen. Fichtl passt perfekt zu diesem Wien der Widersprüche. Er ist ebenso schroff wie charmant, ebenso traditionsbewusst wie modernen Abgründen ausgesetzt. Wie die Stadt selbst verbirgt er hinter einer manchmal grantigen Fassade ein komplexes Innenleben und einen unbeirrbaren Kern.
Abschluss
Oberinspektor Michael Fichtl steht für eine Ära des Wiener Tatorts, die die Stadt von ihrer realistischen, oft düsteren Seite zeigt. Als Ermittler zwischen Pflicht und Zweifel, zwischen Tradition und Moderne, meisterte er Fälle, die tief in die Wiener Seele und ihre gesellschaftlichen Konflikte blickten. Seine Ermittlungen hinterlassen das Porträt eines Mannes, der trotz aller Widrigkeiten und persönlichen Rückschläge stets für das einsteht, was er für richtig hält.