Das Hamburger Ermittlerduo Jan Casstorff und Eduard Holicek steht für eine düstere, von persönlichen Dämonen geplagte Art der Verbrechensbekämpfung in der Hafenmetropole.

Das Profil: Zwei Gesichter der Gerechtigkeit

Jan Casstorff

Hauptkommissar Jan Casstorff ist der analytische Denker und gefürchtete Verhörspezialist im Team. Der ehemalige Jurastudent, der sein Studium abbrach, ist ein zutiefst widersprüchlicher Charakter: Ein intellektueller Polizist, der buddhistische Schriften von Shantidera liest und sich für existentialistische Literatur begeistert, dem aber in der Hitze des Gefechts immer wieder cholerische Wutausbrüche entfahren, die bei Kollegen und Verdächtigen gleichermaßen gefürchtet sind. Sein scheinbar stoisches, oft kühles Auftreten verbirgt einen Mann, der tief von den Abgründen, die er täglich sieht, getroffen wird und die Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit zunehmend spürt.

Dies zeigt sich besonders in Fällen, die ihn persönlich berühren, wie in „Liebeshunger“, wo er das Opfer einer früheren Affäre wiedererkennt und seine professionelle Distanz zu wahren kämpft. Sein gesamtes Berufsleben ist von dem Gefühl geprägt, unter seinen Möglichkeiten zu bleiben – er gibt seinem Vorgesetzten Kriminalrat Dr. Kevin Lohmann regelmäßig zu verstehen, dass er unter anderen Voraussetzungen längst dessen Position inne hätte. Sein Privatleben ist von der Rolle als alleinerziehender Vater geprägt, nachdem ihn Daniels Mutter, Judith Vorbeck, nach der Geburt des Kindes sitzen ließ. Die schwierige Beziehung zu seinem heranwachsenden Sohn und das plötzliche Wiederauftauchen seiner Ex-Frau in „Exil!“ belasten ihn zusätzlich. In „Und Tschüss“ gipfelt seine emotionale Verwundbarkeit, als die Entführung seiner Freundin, Oberstaatsanwältin Wanda Wilhelmi, ihn dazu treibt, sein Leben für ihres zu riskieren und seinen Dienst zu quittieren.

Eduard Holicek

Oberkommissar Eduard „Eddi“ Holicek, gespielt von Tilo Prückner, ist der pragmatische, bodenständige und unerschütterlich loyaler Gegenpol zu Casstorff. Mit trockenem Humor, einer rastlosen Energie und einem fotografischen Gedächtnis ausgestattet, ist er der Mann für die akribische Recherche und die klassische Polizeiarbeit in den düsteren Hafenkneipen Hamburgs. Im Gegensatz zum intellektuellen Casstorff bezeichnet er existentialistische Literatur als „depressiven Scheiß“, schätzt aber dennoch den Besuch von Museen. Sein unordentlicher Schreibtisch steht im starken Kontrast zu seiner methodischen Arbeitsweise.

Holicek ist der Einzige, der es wagt, seinem cholerischen Chef in hitzigen Situationen entschlossen entgegenzutreten und ihn zu bremsen. Seine größte Bewährungsprobe durchlebt er in „Schattenspiele“, als die Leiche eines Häftlings ihn mit dem traumatischen Suizid des kenianischen Studenten Winston Miller konfrontiert, der sich vor 20 Jahren mit Holiceks Dienstwaffe das Leben nahm. Diese Vergangenheit verfolgt ihn bis in die Gegenwart und lässt ihn an der offiziellen Version zweifeln, was ihn fast den Job kostet. Als Single, dessen einstige Verlobung vor Jahren scheiterte, findet er trotz seines lässigen Auftretens Erfolg bei Frauen und pflegt seine Leidenschaft als FC St. Pauli-Fan.

Die Dynamik: Pragmatismus trifft auf emotionale Abgründe

Ihre Chemie ist das Produkt einer langjährigen, eingespielten Arbeitspartnerschaft, die auf Gegenseitigkeit und Respekt basiert, auch wenn sich ihre Arbeitsweisen fundamental unterscheiden. Während Casstorff sich in die psychologischen Abgründe von Tätern und Opfern vergräbt, hält Holicek die Verbindung zur realen Ermittlungsarbeit aufrecht und handelt oft intuitiv, ohne erst auf die notwendigen Erlaubnispapiere zu warten. In „Feuerkämpfer“ zeigt sich diese Arbeitsteilung perfekt: Casstorffs intuitive Herangehensweise („Was, wenn der Mörder die Brände nur nutzt, um seine eigentliche Tat zu verschleiern?“) wird von Holiceks akribischer Beweissicherung untermauert. Konflikte entstehen selten aus Eifersucht, sondern aus ihren unterschiedlichen Naturen, wenn sich Casstorff in einer Theorie verbohrt oder Holicek die emotionale Belastung seines Partners erkennt und ihn zu schützen versucht. Ihr Markenzeichen ist der Verzicht auf plakative Running Gags; ihr Humor ist subtil, trocken und entspringt oft der Absurdität des Alltäglichen im Angesicht des Grauens.

Hamburg als Schauplatz: Die düstere Seele der Hansestadt

Hamburg ist für Casstorff und Holicek kein postkartenschönes Tor zur Welt, sondern ein düsterer, oft bedrohlicher Mikrokosmos. Die Serie nutzt die Stadt nicht nur als Kulisse, sondern als aktiven Handlungsträger, der Stimmung und Themen vorgibt. Der nächtliche Hafen mit seinen Containerlabyrinthen, wie in „Und Tschüss“, wird zum Sinnbild für undurchsichtige Geschäfte und moralische Verwerfungen. Die sozialen Brennpunkte und verrauchten Kneipen in „Verlorene Töchter“ oder „Ein Glücksgefühl“ spiegeln die Abgründe wider, in die die Kommissare steigen müssen. Die klaustrophobische Enge von Mietshäusern („Mietsache“) wird zum Schauplatz von Nachbarschaftshass und erbarmungsloser Geschäftemacherei. Diese düstere, oft regennasse und von Neonlichtern erleuchtete Stadt passt perfekt zu den Charakteren der Ermittler: Sie sind genauso wenig glatt poliert wie ihre Umgebung, sondern zeigen Risse und Patina, die von den harten Fällen und ihrem Leben in dieser Metropole zeugen.

Abschluss

Von 2001 bis 2008 verkörperten Casstorff und Holicek eine Ära des Hamburger „Tatorts“, die sich durch ihre düstere Grundstimmung, komplexe Charakterzeichnung und die schonungslose Konfrontation mit gesellschaftlichen Abgründen auszeichnete. Ihr Vermächtnis ist das Bild zweier Ermittler, die nicht als unverwundbare Helden, sondern als zutiefst menschliche, von ihren Einsätzen gezeichnete Figuren im Gedächtnis bleiben – der eine ein philosophierender Choleriker, der andere ein pragmatischer Streetcop, vereint in ihrem Kampf für Gerechtigkeit in der Schattenseite der Hansestadt.