Wien, die österreichische Hauptstadt, ist seit Jahrzehnten ein facettenreicher und prägender Schauplatz im Tatort-Universum, der eine beeindruckende Vielfalt an Ermittlerpersönlichkeiten und Kriminalfällen hervorgebracht hat.

Die Ermittler-Generationen

Eisner und Fellner

Die aktuelle Ära wird vom ungleichen, aber genialen Duo Moritz Eisner und Bibi Fellner geprägt. Ihr Zusammenspiel ist von einer tiefen, oft unausgesprochenen Freundschaft und einem trockenen, Wiener Schmäh durchzogenen Humor geprägt. Während Eisner als erfahrener, oft mürrischer Einzelgänger agiert, der sich auf sein Bauchgefühl verlässt, bringt die impulsive und unkonventionelle Bibi Fellner eine raue, aber herzliche Energie in die Ermittlungen. Ihre Fälle führen sie oft in die sozialen und politischen Abgründe der Stadt, wie in der Folge Wir sind nicht zu fassen!, wo sie im Umfeld von Demonstrationen und Polizeigewalt ermitteln. Was das Team auszeichnet, ist die menschliche Tiefe und die Weiterentwicklung ihrer Beziehung, die den Kern vieler Episoden bildet.

Moritz Eisner

Bevor Bibi Fellner zu seiner festen Partnerin wurde, ermittelte Moritz Eisner bereits als Sonderermittler des Innenministeriums in ganz Österreich. Seine Fälle waren oft durch Alleingänge und eine konfrontative Art gekennzeichnet. Schon damals zeigte sich sein Talent, komplexe Fälle durch analytischen Scharfsinn und ein gesundes Misstrauen gegenüber Autoritäten zu lösen. Diese frühen Einsätze etablierten ihn als einen der langlebigsten und profiliertesten Ermittler der Tatort-Geschichte.

Fichtl

Chefinspektor Michael „Michl“ Fichtl war ein Ermittler der alten Schule, der in den späten 80er und 90er Jahren für Recht und Ordnung sorgte. Er war ein intuitiver Polizist, der wenig von technischer Kriminalistik hielt und lieber selbst an vorderster Front agierte. An seiner Seite ermittelten unter anderem Inspektor Hollocher und die taffe Inspektorin Winter, später wurde das Team durch Inspektorin Kant und Inspektor Varanasi ergänzt. Fichtls Fälle spiegelten den Zeitgeist wider und behandelten oft Themen wie das organisierte Verbrechen und die Schattenseiten des aufstrebenden Kapitalismus im Nachwende-Europa.

Marek

Oberinspektor Marek, gespielt von Fritz Eckhardt, war einer der ersten Wiener Tatort-Ermittler und prägte die Serie in den 1970er Jahren. Er war ein gemütlicher, fast väterlicher Charakter, der seine Fälle mit einer Mischung aus Wiener Charme, Lebenserfahrung und unaufgeregter Logik löste. Seine Ermittlungen waren oft psychologische Kammerspiele, die tief in die bürgerliche Fassade der Wiener Gesellschaft blickten. Marek verkörperte eine ruhigere, bedächtigere Form der Polizeiarbeit, die einen starken Kontrast zu den heutigen, actionreicheren Inszenierungen darstellt.

Hirth

In den 1980er Jahren führte Oberinspektor Hirth ein Team, das von emotionalen Ausbrüchen und internen Spannungen geprägt war, die er mit stoischer Ruhe und Rationalität ausbalancierte. Seine Fälle waren oft düster und psychologisch dicht. Hirth war ein stiller Beobachter, ein Anti-Held, der durch intellektuelle Überlegenheit und Beharrlichkeit überzeugte. Das Wien seiner Zeit war weit entfernt von imperialem Glanz; es war eine Stadt der Abgründe, des Nieselregens und der Neonlichter, die perfekt zu Hirths melancholischem Charakter passte.

Der Ort als Ermittler

Wien ist in den Tatort-Folgen mehr als nur eine Kulisse; die Stadt selbst wird zum Ermittler. Ihre einzigartige Atmosphäre, geprägt von der Spannung zwischen historischem Glanz und modernen sozialen Konflikten, liefert die Themen und Stimmungen für die Fälle. Ob es die politische aufgeladene Stimmung bei Demonstrationen im Regierungsviertel bei Eisner und Fellner ist oder die düsteren, von Nieselregen verwaschenen Abgründe des Rotlichtmilieus in den Fällen von Oberinspektor Hirth – die Stadt atmet durch die Geschichten und formt die Charaktere. Jedes Team nähert sich den ortsspezifischen Themen wie Korruption, sozialer Ungleichheit oder den Nachwehen der Geschichte auf seine eigene, unverkennbare Weise.

Die Entwicklung des Tatort Wien

Die Entwicklung des Tatort Wien ist eine Reise durch die Kriminal- und Fernsehgeschichte. Von den psychologisch feinsinnigen Fällen des Oberinspektor Marek in den 70ern über die rauen, realistischen Ermittlungen von Fichtl und Hirth in den 80ern und 90ern bis hin zu den modernen, gesellschaftskritischen und oft actionreichen Fällen des Duos Eisner und Fellner – der Ton und die Erzählweise haben sich stetig gewandelt. Was alle Wiener Tatorte jedoch verbindet, ist der unverwechselbare lokale Kolorit, der „Wiener Schmäh“, und ein kritischer Blick auf die Abgründe, die sich hinter der polierten Fassade der Metropole verbergen.