Das Jahrzehnt der Smartphone-Revolution und des aufkommenden Rechtspopulismus brachte dem Tatort neue Gesichter und mutige Experimente. Während die ARD-Krimireihe einerseits bewährte Erfolgsrezepte fortführte, wagte sie andererseits den Sprung in unbekannte Gewässer – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Neue Teams, neue Perspektiven
2010 betrat ein Mann die Tatort-Bühne, der für frischen Wind sorgen sollte: Felix Murot, gespielt von Ulrich Tukur. Mit seinem Gehirntumor „Lilly“ führte er eine neue Ebene der Komplexität in die Ermittlerfiguren ein. Sein Debüt Wie einst Lilly läutete eine Ära der unkonventionellen Charaktere ein.
Doch nicht nur Einzelkämpfer feierten Premiere. Mit dem Weimarer Duo Dorn und Lessing (Nora Tschirner und Christian Ulmen) wagte der Tatort 2013 den Spagat zwischen Krimi und Komödie – ein Konzept, das beim Publikum auf Anhieb zündete.
Vom Experiment zum Quotenhit
Die 2010er waren auch die Zeit des mutigen Experimentierens. Im Schmerz geboren (2014) verband Elemente aus Western, Shakespeare und Kung-Fu-Filmen zu einem preisgekrönten Gesamtkunstwerk. Ein gewagtes Unterfangen, das die Kritiker begeisterte und einen neuen „Leichenrekord“ aufstellte.
Erfolgreicher beim breiten Publikum war da schon Willkommen in Hamburg (2013), das Debüt von Nick Tschiller (Til Schweiger). Der actiongeladene Fall lockte über 12 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme – ein deutliches Signal für den Wunsch nach mehr Tempo und Spannung.
Jubiläum und technische Innovationen
Einen Meilenstein setzte Taxi nach Leipzig (2016). Als 1000. Tatort-Folge brachte er Gaststars aus den Anfängen der Serie zurück und schlug so gekonnt die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Den technischen Höhepunkt des Jahrzehnts bildete Die Musik stirbt zuletzt (2018). Als erster „One-Take“-Krimi der Reihe setzte er neue Maßstäbe in Sachen Inszenierung und unterstrich die Experimentierfreudigkeit der Macher.
Zwischen Zeitgeist und Kontroverse
Thematisch bewegte sich der Tatort in den 2010ern auf der Höhe der Zeit. Flüchtlingskrise, Rechtspopulismus und Künstliche Intelligenz fanden Eingang in die Drehbücher. Besonders die Folge Schutzlos (2015) zur Situation minderjähriger Flüchtlinge zeigte die Aktualität der Reihe – wenngleich die häufige Thematisierung auch auf Kritik stieß.
Technisch und stilistisch machte die Serie weitere Sprünge nach vorn. Der komplett in einer Messehalle gedrehte Stau (2017) und der Zeitschleifen-Krimi Murot und das Murmeltier (2019) zeigten die Bandbreite der kreativen Möglichkeiten.
Fazit: Spagat zwischen Tradition und Innovation
Die 2010er Jahre markierten für den Tatort eine Phase der kontrollierten Erneuerung. Neue Gesichter wie Tschiller oder das Weimarer Team brachten frischen Wind. Gleichzeitig hielt man an Quotengaranten wie dem Münsteraner Duo fest. Nicht jedes Experiment gelang, doch in der Summe meisterte die Reihe den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Der Tatort ging gestärkt aus dem Jahrzehnt hervor – bereit für die Herausforderungen der 2020er.